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Peter Oliver Vetter
ANTON & EVA
Roman

Zwölf Kakteen, ein humpelnder Kater und Jesus, der am Busen hängt - «Anton & Eva» ist ein witziger Roman über Liebe mit Ecken und Kanten, und über Freundschaft mit Tücken und Brüchen.

Taschenbuch 240 Seiten
ISBN 3-906566-08-0
EUR 15.- CHF 24.- DEM 30.- OES 220.-

Peter Oliver Vetter, geboren 1970 in Basel, erlebte seine ersten Jahre im Toggenburg und strandete danach in Bern. Hier studierte er Pädagogische Psychologie, spielte als Bassist in diversen Bands und ist Redaktor der Lokalzeitung «Länggass-Blatt». Weiter unterstützte er das Cabarett-Duo «Die Schwarzfahrer» als Texter und Techniker. Seinen ersten Roman «Anton und Eva» hat er während seiner Studienjahre geschrieben.

 

«Es gibt Frauen, in die sollte man sich nicht verlieben. Gib ihnen dein Herz und sie spielen damit Basketball, wirf dich ihnen zu Füssen und sie treten auf dir herum, leg sie in Ketten und sie lachen dich aus.»
«Manchmal hab ich das Gefühl, du liest zuviel.» Ich nahm einen Schluck.
«Vielleicht hab ich etwas dick aufgetragen, aber wenn es diesen Typ Frau gibt, dann ist Eva ihre Anführerin!»

* * *

Ich weiss nicht genau, wie es soweit kommen konnte, ich weiss nur noch, dass ich irgendwann in dieser Nacht in Evas Garten stand mit der Gitarre um den Hals. Max versteckte sich im Gebüsch. Ich schaute in den Himmel, der Mond wollte sich nicht zeigen, wahrscheinlich hatte auch er ein ungutes Gefühl. Im Haus war es dunkel. Das Fenster in Evas Zimmer war geöffnet.
«Leg los!» zischte Max von hinten. Ich hielt die Hand zum ersten Anschlag bereit, das Plektrum zwischen die Finger gepresst, doch die Ruhe in diesem Garten war stärker. Ich drehte mich um: «Ich kann nicht.»
Max kam aus seinem Versteck heraus: «Warum nicht?»
«Ich weiss nicht... Es ist mir peinlich.»
«Denk daran: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's künftig ungeniert.» Er zwinkerte mir zu und ich hätte ihn am liebsten dabei weggezaubert. Er sah mich an: «Soll ich gehen?»
«Vielleicht.»
Er klopfte mir auf die Schulter: «Wir treffen uns nachher im U28. Du wirst es schon schaffen.» Ich nickte und er ging. Jetzt war ich allein und trug damit auch die ganze Verantwortung auf meinen Schultern. Sollte ich tatsächlich hier in diesem Garten für Eva ein Ständchen spielen? War das der richtige Weg, um von ihr erhört zu werden?
Ich setzte mich mit der Gitarre um den Hals auf die Bank neben den Rosenbeeten. Wenn ich es jetzt nicht schaffe, etwas zu tun, schlich es mir durch den Kopf, dann muss ich sie vergessen. Ich betrachtete die sechs Saiten der Gitarre und stimmte sie behutsam an. Sie war sauber gestimmt, dennoch kam ich mir vor wie ein Heavy-Metal-Gitarrist, der versehentlich in einer klassischen Oper auftrat. Die Ruhe war erdrückend und lähmend zugleich. «Ach Scheisse». Ich stand auf und wollte gehen.

Aus der Ferne erklang eine Stimme: «War das schon alles?»
Ich drehte mich um und erkannte Evas Silhouette an ihrem Fenster. Sie hatte sich mit den Armen auf den äusseren Fenstersims aufgestützt. Sie war nackt. Ich zögerte, starrte sie an, wollte gehen, wollte bleiben. Dann legte ich los. Ich schrummte einfach drauf los, drei Riffs. Meine Stimme war heiser, deshalb musste ich den Text ziemlich brüllen:
«My Girl, my girl, don't lie to me, tell me where did you sleep last night.»
Ich wiederholte die Strophe etwa fünf Mal, bis mir auch der Rest des Textes wieder einfiel. Ich fand, es töne gar nicht schlecht. Ich fasste etwas Selbstvertrauen und liess den einen oder andern Effekt einfliessen. Dass Eva nackt am Fenster stand, überraschte mich nicht, schliesslich befand ich mich auch in einem fremden Garten und wartete eigentlich darauf, wegen nächtlicher Ruhestörung angezeigt zu werden. Ich sang und versuchte dabei so gut es ging zu vergessen, was ich eigentlich tat. Als ich mich dem Ende des Songs zuneigte, entdeckte ich plötzlich, dass Evas Mutter, in sicherem Abstand zu mir, im Garten stand, doch auch sie schien mich nicht bremsen zu wollen. Dem Ende des Songs, vor dem ich mich gefürchtet hatte, weil ich nicht wusste, was danach passieren würde, schaute ich mit einem Mal gelassener entgegen. Noch ein letztes Mal stimmte ich den Refrain an, und den wollte ich noch einmal mit aller Intensität Eva widmen, doch als ich mich wieder ihrem Fenster zuwendete, musste ich mit Schrecken feststellen, dass Eva gerade zu einer Wurfbewegung ausholte. Sekunden später knallte ein kleiner Blumentopf mit einem Kaktus neben mir auf den Boden. So langsam begriff ich, wozu sie ihre kleinen stacheligen Freunde sammelte. Sie schloss das Fenster und verschwand. Ich besorgte dem Song ein trauriges Ende. Niedergeschlagen streifte ich die Gitarre ab, ich hätte es zum Vornherein wissen müssen. Wieso hörte ich bloss im falschen Moment auf die falschen Leute?
Evas Mutter kam auf mich zu. Sie trug einen dunklen Drachen-Kimono und war barfuss.
«Mein Herz hättest du sofort erobert.» Sie stand ganz nahe und ich konnte trotz der Dunkelheit ihre Augen sehen. Ich konnte fühlen, dass sie unter ihrem Kimono nackt war und beinahe wäre ich über sie hergefallen, um meinem Schmerz das Genick zu brechen, um mit einer Tat endgültig alles zu zerstören. Doch die Kraft, die uns vor solchen Taten bewahrt, bändigte meinen Trieb. Ich ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

last update 01|07|23